Lose aneinandergefügte Aussagen aus dem vergriffenen Buch "Die Tiefe im Antlitz der Welt" (1952) von Wilhelm Weischedel

[...] Nun ist das Fragloseste und daher meist Übersehene am Kunstwerk dies, dass es den Menschen dazu bringt, vor ihm innezuhalten. [...] Die besondere Weise der Erfahrung des Kunstwerks zeigt sich einem ersten Hinblick als Befremdung. [...] Das Kunstwerk entrückt zu sich hin. Es hat die Macht der Entrückung. [...] Die Kraft der Entrückung, die vom Kunstwerk ausgeht, wird dem Betrachter als Zug zur Sammlung spürbar. [...] Von Gnaden seiner Tiefe auch hat das Kunstwerk die Macht, den Betrachter zu verwandeln. [...] Diese Verwandlung erfährt er als ein Hinabtauchen in die eigene Tiefe. [...] Tiefe rührt an Tiefe. Die wesenhafte Erfahrung des Werkes ist aufs innigste mit der Erfahrung des eigenen Selbst verbunden. [...] Die Tiefe ist kein Ding, sondern die ins Unabsehbare deutende Verweisung der Kunstwerke. [...] So mag denn die Kunst in ihrem ganzen Umfange als der Ort verstanden werden, an dem in einer vorzüglichen Weise innerhalb der vertrauten Wirklichkeit die Tiefe als Ursprung aufbricht. [...] Darum auch erfährt der Mensch vor dem Kunstwerk so dringlich den Aufruf, wesentlich zu werden. Wenn er sich ihm nicht verschließt, weiß er: es kommt alles darauf an, aus der eigensten Tiefe zu leben, selber ursprünglich zu werden. Sein Ursprung begegnet ihm als mächtiger Anspruch.

Feststellung von Sarah Kofman (1934-1994)

Zwischen der figurativen Ordnung des Bildes und der diskursiven Ordnung der Sprache gibt es einen Spielraum, der durch nichts aufzufüllen ist.

Anmerkung: Phylakterien nennt man Bänder mit aufgerollten Enden oder Zettelchen, welche Legenden trugen, die die alten Maler ihren Figuren beigaben, um eine Bedeutung auszudrücken, die sie im Bild nicht darstellen konnten.

Das geistige Leben, zu dem auch die Kunst gehört und dem sie eine der mächtigsten Agentien ist, ist eine komplizierte aber bestimmte und ins Einfache übersetzbare Bewegung vor- und aufwärts. Diese Bewegung ist die der Erkenntnis. [...] Wenn die Religion, Wissenschaft und Moral gerüttelt werden, und wenn die äußeren Stützen zu fallen drohen, wendet der Mensch seinen Blick von der Äußerlichkeit ab und sich selbst zu. Die Literatur, Musik und Kunst sind die ersten empfindlichsten Gebiete, wo sich diese geistige Wendung bemerkbar macht in realer Form. [...]

Aussagen von Wassily Kandinsky über das Geistige in der Kunst (1912)

Kafka – das sind Träume einer im Sterben liegenden Menschheit. Ein Aufbäumen absterbenden Bewusstseins. Ein Griff danach, was schon nicht mehr ist und nicht mehr sein wird. Hoffnung wird zu Tod, daraus ersehnte Freiheit.

Andrej Mogutschi

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