In Moskauer Schauprozessen (zur Zeit Stalins) wurde, wenn (keine Beweise und) keine Indizien für eine Verschwörung vorlagen, genau dieses Fehlen der Indizien als Nachweis der Verschwörung und damit als Schuldbeweis gewertet, denn Verschwörungen seien nur dann erfolgreich, wenn sie ihre Spuren verwischen. Das Nichtvorhandensein von Indizien wurde zum Beweis der Schuld.
Im Namen von Vielfalt und Polyphonie werden mit dem Ziel der Desinformation und Verwirrung bzw. Orientierungslosigkeit ganz unterschiedliche Dinge, die unterschieden werden müssten, auf eine Stufe gestellt. Propaganda und Desinformation gehen auf diese Weise als Meinung durch und werden aufgewertet, Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse werden im gleichen Zuge als Meinung abgewertet.
Der Begriff Vielfalt wird von ["alternativen Medien"] auch genutzt, um eigene Lügen als weitere, alternative oder zweite Meinung zu bezeichnen. Denn wenn alle [seriösen, freien] Medien das Gleiche berichten, so die dahinterliegende Idee, geschehe dies nicht etwa aus Gründen der Evidenz, sondern zur Vereinheitlichung der Perspektive. Auf diese Weise wird die einheitliche Beurteilung von Faktenwahrheiten zum Motiv einer Verschwörungsgeschichte der Gleichschaltung.
Verkehrungen in Gegenteil sind eine bewusst gewählte Machtstrategie, die versucht, die eigenen Interessen mit den Werten, Begriffen, Theorien und Strategien Anderer durchzusetzen. Sie sind ein Eingeständnis, dass die eigene Macht nur mit den Überzeugungen der Anderen zu erreichen ist.
Genauer nachzulesen in: Verkehrungen ins Gegenteil. Die Subversion als Machttechnik. Sylvia Sasse. Berlin 2023