Aus dem ersten Kapitel von "Abstraktion und Einfühlung" (1908) von Wilhelm Worringer (1881-1965)

[...] Welches sind nun die psychischen Voraussetzungen des Abstraktionsdranges? Wir haben sie im Weltgefühl jener Völker, in ihrem psychischen Verhalten dem Kosmos gegenüber zu suchen. Während der Einfühlungsdrang ein glückliches pantheistisches Vertraulichkeitsverhältnis zwischen dem Menschen und den Außenwelterscheinungen zur Bedingung hat, ist der Abstraktionsdrang die Folge einer großen inneren Beunruhigung des Menschen durch die Erscheinungen der Außenwelt und korrespondiert in religiöser Beziehung mit einer stark transzendentalen Färbung aller Vostellungen. Diesen Zustand möchten wir eine ungeheure geistige Raumscheu nennen. Wenn Tibull sagt: primum in mundo fecit deus timor, so lässt sich dieses selbe Angstgefühl auch als Wurzel des künstlerischen Schaffens annehmen.

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