Nach Prof. Dr. Klaus Koch, einem humorvollen und ganz fantastisch lehrenden Alttestamentler. Klassiker von Koch sind seine Bücher über die israelitische Profetie.

Nach hebräischer Auffassung besteht ein unlöslicher Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen bei jedem Menschen.
Die Taten des Menschen resultieren in einer unsichtbaren Hülle (awon), die den Menschen umgibt und je nach der sittlichen Bestimmtheit der Taten positiv oder negativ geladen ist. Diese schicksalswirkende Tatsfäre betrifft nicht nur das eigene Leben, sondern wirkt sich auch ansteckend auf die gesellschaftliche und natürliche Umwelt aus; nach altisraelitischer Überzeugung hängen moralische und natürliche Weltordnung unverbrüchlich zusammen.
In diesem Zusammenhang ist eine Betrachtung des Begriffspaares „sedaqa“ und „mischpat“ erhellend; beide sind heilsame Faktoren im Volksleben.
Sedaqa ist zu praktizieren und aufzurichten, es beinhaltet gemeinschaftsgemäßes Verhalten, das auf den Bestand der für gelungenes Leben konstitutiven Institutionen wie Familie oder Königtum ausgerichtet ist. Die Übersetzung von sedaqa mit „Gerechtigkeit“ ist durchweg unangemessen und hat zudem zur modernen Auffassung vom gerechten und gnadenlosen Jahwä geführt.
Nach hebräischer Auffassung bedarf es jedoch einer bestimmten gesellschaftlichen Atmosfäre, um Moral und gesellschaftsförderndes Verhalten überhaupt erst zu ermöglichen.
Ohne mythologisch-metaphysischen Hintergrund gibt es keinen hinlänglich vernünftigen Grund zur Achtung von Sitte, Recht und Menschenwürde, sondern nur rücksichtslose Durchsetzung eigennütziger Interessen.

Die Anschauung der Tatsfäre erinnert an die indische Karmalehre, allerdings vollendet sich der von den Profeten der Königszeit hervorgesehene Tun-Ergehen-Zusammenhang diesseitig, in diesem Leben.
Mischpat ist ein Begriff, der zwischen Zustand und Aktion schillert, er bedeutet einerseits die unangefochtene wirtschaftliche wie rechtliche Existenz von Individuen und Gruppen, andererseits aber administrative, juristische, selbst kriegerische Mittel und Handlungsweisen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung einer solchen Existenz. Zur stillschweigenden Voraussetzung hebräischen Denkens gehört, dass mischpat nie bleibend vorhanden ist, sondern fortlaufend „gemacht“ werden muss.
Der Mensch ist nach hebräischer Auffassung nicht von sich aus, bzw. nicht von Natur aus in der Lage, echte Gemeinschaftstreue zu verwirklichen, vielmehr bedarf es dafür religiöser und ökonomischer Voraussetzungen. Um angstfrei zu handeln, bedarf es eines gesicherten Standortes, der Ausrichtung an einer Größe, auf die Verlass ist. Das beginnt mit Wasser und Brot ... Zur Suche nach Verlass ist Erkenntnis vonnöten.

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