Programm-Musik ist Musik mit einem Programm, also Musik, der etwas vorgeschrieben ist, die einen außermusikalischen Inhalt hat, an dem sie sich orientiert bzw. zu dem die Musik komponiert ist; dies können zum Beispiel Bilder sein, Geschichten, Texte, Bewegungsabläufe, Naturvorgänge, Befindlichkeiten, Stimmungen. Es gibt in der Musikwissenschaft einen Streit darüber, ob nicht jede Musik irgendwie Programm-Musik sei. Eine entscheidende Kompositionstechnik ist die Verwendung von Leitmotiven; dies sind Melodien oder musikalische Motive, die fest mit einem bestimmten Handlungsträger (z. B. einer Figur oder Person) verbunden sind und den Hörer musikalisch durch den außermusikalischen Inhalt leiten. Beispiele gelungener Programm-Musik sind >Eine Steppenskizze aus Mittelasien< von Alexander Borodin oder >Der Zauberlehrling< von Paul Dukas. Die Leitmotivtechnik wird auch bei Filmmusik eingesetzt. Leitmotive, Erinnerungsmotive, hat bereits Carl Maria von Weber in seinen Opern komponiert, bei Hector Berlioz ist es das Konzept der idée fixe (in der Symphonie fantastique) und in den Opern und Musikdramen von Wagner ist diese Technik bestimmend.

Aufgrund der Erfahrung, dass Programme von Musik nachträglich ausgetauscht werden können, meinte Leonard Bernstein, dass die Bedeutung der Musik in der Musik selbst läge (und nicht im Programm).

Im Verhältnis zum Bild funktioniert Musik als

 

Paraphrasierende (verdeutlichend umschreibende) Musik
Der eindeutige Charakter der Musik stimmt mit den eindeutigen Bildinhalten überein. Im Bild gezeigte Inhalte werden musikalisch unterstützt, visuelle Bewegungsabläufe werden mit entsprechender musikalischer Bewegung unterlegt.

Polarisierende Musik
Der eindeutige Charakter der Musik schiebt inhaltlich neutrale oder doppeldeutige Bilder in die Richtung, die ihr Charakter vorgibt.
Ein inhaltlich neutrales Bild wird durch die Musik in eine bestimmte Richtung gedrängt.

Kontrapunktierende Musik
Der eindeutige Charakter der Musik widerspricht den eindeutigen Bildinhalten.
Die Musik steht im Gegensatz zu der im Film gezeigten Bildfolge.

 

Bezüglich der Kompositionsweise werden folgende Techniken unterschieden:

Leitmotiv-Technik oder besser: Kennmelodie
Den Hauptdarstellern oder Hauptelementen eines Films werden bestimmte, sie charakterisierende musikalische Themen zugeordnet und die Beziehungen zwischen den Personen in Beziehungen zwischen den musikalischen Themen übertragen.
Zuordnung von Musik und einzelnen Handlungsträgern sowie Handlungsabläufen, wodurch Bezüge hergestellt werden können (was auch durch musikalische Zitate erreicht wird). Die Leitmotivtechnik kann daher den Sinn der Filmhandlung vermitteln.

Underscoring
Unterlegung der Filmhandlung samt Dialogen und Geräuschen mit einem eigens angepassten Musikteppich, indem die Musik die Filmhandlung detailliert nachvollzieht. Dies ist ein Verfahren der Hollywoodsinfonik, das in den 50er Jahren weitgehend verschwand und einem sparsameren und gezielten Musikeinsatz Platz machte. Musik im Film kann für Kontinuität sorgen, wo der Bildablauf sich diskontinuierlich darstellt. Das Underscoring verstärkt und untermalt die das Leinwandgeschehen und vermittelt Stimmung(en). Im Grunde ist sie paraphrasierende Musik.

Mood-Technik
Den Szenen eines Films werden untermalende oder kommentierende Nummern zugeordnet, musikalische Stimmungsbilder, die thematisch mehr oder minder voneinander unabhängig sind.
Die Musik dient als zusätzliche Stimmungskolorierung, die Stimmung der Szene wird durch den Ton noch unterstützt, wobei entweder Gefühle der Zuschauer angesprochen werden oder Befindlichkeiten der gespielten Figuren zum Ausdruck kommen. Die Musik kann paraphrasierend, aber auch polarisierend und kontrapunktierend sein, indem sie einen eigenständigen Ausdruck hat.

Mickey-Mousing
Der total schnittgleiche Einsatz von Ton und Bild. Bewegungen im Bild und die Musik verlaufen hierbei absolut synchron, z.B. in Walt-Disney-Zeichentrickfilmen.


Die Beschreibung und Analyse von Filmmusik soll geschehen hinsichtlich ihrer 
Wirkung, musikalischen Mittel, filmmusikalischen Funktion.

Stichworte zu Systemen der Harmonielehre/Musiktheorie

Guido von Arezzo (ca. 922-1050)
- Diaphonie und Organum (frühe Formen der Mehrstimmigkeit)
- Hexachordlehre (Sechstonskala)

Henricus Glareanus (1488-1563)
- Baut sein System auf der Oktave auf (und nicht mehr auf Hexachorden)
- Bevorzugt die einstimmige Melodie gegenüber der mehrstimmigen Komposition

Gioseffo Zarlino (1517-1590)
- Naturgegebene akustische Verhältnisse von Tönen (im Sinne von Pythagoras) werden als grundlegend angesehen
- Hinweise über die akkordliche Bedeutung des Dur- und Mollgeschlechts

Jean Philippe Rameau (1683-1764)
- Leitete den Durdreiklang aus der Obertonreihe ab und postulierte eine analoge Untertonreihe für den Molldreiklang
- führte Akkorde auf eine Reihe von Grundformen zurück: Tonique (centre), Dominante, Sousdominante als Dreiklänge der I., IV. und V. Stufe der Tonleiter (Theorie der Fundamenttöne)
- Lehre von den Umkehrungen, wonach der Sextakkord dieselbe funktionelle Bedeutung wie der Grundakkord hat
- der Begriff „sixte ajoutée“ stammt ebenfalls von Rameau

Gottfried Weber (1779-1839)
- benutzte große (deutsche) Buchstaben für Durakkorde und kleine Buchstaben für Mollakkorde
- geht von der Stellung der Akkorde in der Tonleiter aus und bezeichnet sie mit (großen und kleinen) römischen Stufenzahlen (Stufentheorie)

Joseph Fetis (1784-1871)
- Tonalitätsauffassungen und -systeme verändern sich mit der Zeit und sind gesellschaftlich determiniert
- Lehre von der harmonischen Modulation als Tonalitätsveränderung

Simon Sechter (1788-1867)
- nicht der Dreiklang, sondern das Intervall wird als naturgegebene Einheit angesehen
- für den Aufbau der Akkorde ist die Terz das bedeutende Intervall
- Dur und Moll entspringen einer Wurzel, nämlich der Überlagerung zweier Terzen.
- Monismus (Ggs.: Dualismus)

Hugo Riemann (1849-1919)
- Dreiklang wird als naturgegeben angesehen
- Durdreiklang aus Obertonreihe, Molldreiklang aus „Untertonreihe“ (vgl. Rameau)
- Dur- und Molldreiklänge entspringen verschiedenen Wurzeln, sind gegensätzliche Klanggeschlechter
- Dualismus (Ggs.: Monismus)
- Funktionsbezeichnungen mit den Zeichen T, S und D (vgl. Rameau)

Wilhelm Maler (1902-1976)
- Funktionsschrift mit großen Buchstaben (für Durakkorde) und kleinen Buchstaben (für Mollakkorde). Durch diese verfeinerte Funktionsbezeichnung können auch entfernt verwandte Akkorde funktionell dargestellt werden (z. B. Medianten entfernter Regionen).

Stichworte zur Entwicklung der Harmonik der letzten dreihundert Jahre

Merkmale der Harmonik der Barockmusik
- akkordliche Quintverwandtschaft ist vorherrschend
- klares Kadenzprinzip und strikte Tonalität
 - Verwendung von Dreiklängen, auch mit Zusatzdissonanzen und einfachen Alterierungen

 
Merkmale der Harmonik der Romantik
- erweiterte Terzverwandtschaft (Mediantik) und reiche Chromatik
- alterierte Akkorde
- chromatische Vorhalts- und Durchgangsharmonik
- Übergewicht der melodischen linearen über die akkordliche Bewegung
- Klänge mit Sekundzusatztönen (Reizdissonanzen), Nebennoteneinstellungen
- Ersetzung einzelner Töne in Klängen durch Nebennoten
- tonzentrale Modulation
- Doppelklänge und verschiedene Mischklänge (Parallelmischung, Variantenmischung, Klangwurzelmischung, Mischung benachbarter Klänge, ...)
- alterierte oder ajoutierte Akkorde als funktionsfreie Klangwerte (als Klangfeld oder transponiert und ohne konventionelle Auflösung)
- Bitonalität

 
Merkmale der Harmonik des Impressionismus
- ausgeprägte Mediantenharmonik
- Klänge mit Nebennoteneinstellungen (Ganzton- oder Halbtoneinstellungen; Sekundzusatztönen), Reizdissonanzen, Reizharmonik, Mischklänge
- Doppelklänge, Bitonalität
- Gleichstellung von Konsonanz und Dissonanz
- Quartenharmonik
- Quart-, Quint- und Oktavkopplung
- Mixturklänge (strenge, reale (strukturgleich) tonale (im Tonvorrat), freie)
- Polytonalität

 
Merkmale der Harmonik des Expressionismus
- schwebende Tonalität, vagierende Akkorde
- Negierung des Dreiklangs
- Ganzton-, Quarten-, Doppelklangsharmonik
- Nebennoteneinstellungen
- Leittoneinstellungen
- Klangfelder
- Distanzharmonik
- Bitonalität und Polytonalität
- Reihentechnik, Dodekaphonie
- freie Atonalität
- polyphone Gestaltungskräfte sind grundlegend
- Zentralton-„Harmonik“, Zentralklangtechnik
- Vertikalität aus Horizontalität
- Erneuerung klassischer Tendenzen (unverändertes oder abgewandeltes Zitieren; alte Stilmittel oder Idiome; tonale Harmonik; Gattungen und Formmodelle)

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