Was also in dem Gebiet des Schematismus liegt, ist der arithmetischen Bestimmung unterworfen in der Natur und Kunst, die Architektur, als die Musik der Plastik, folgt also notwendig arithmetischen Verhältnissen, da sie aber die Musik im Raume, gleichsam die erstarrte Musik ist, so sind diese Verhältnisse zugleich geometrische Verhältnisse.

Wenn die Architektur überhaupt die erstarrte Musik ist, ein Gedanke, der selbst den Dichtungen der Griechen nicht fremd war, wie schon aus dem bekannten Mythus von der Leier des Amphion, der durch die Töne derselben die Steine bewegt habe sich zusammenzufügen und die Mauern der Stadt Thebe zu bilden - wenn also überhaupt die Architektur eine konkrete Musik ist, und auch die Alten sie so betrachteten, so ist es ganz insbesondere die am meisten rhythmische, die dorische oder altgriechische Architektur (denn dorisch hieß überhaupt alles Altgriechische), und auch die Alten mussten sie vorzüglich unter diesem Gesichtspunkt betrachten.

Die Architektur schließt sich auch dadurch ganz an die Musik an, so dass ein schönes Gebäude in der Tat nichts anderes als eine mit dem Auge empfundene Musik, ein nicht in der Zeit-, sondern in der Raumfolge aufgefasstes (simultanes) Konzert von Harmonien und harmonischen Verbindungen ist.

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854), deutscher Philosoph des Idealismus

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